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Glaube: die subjektiv erfolgreiche Behandlung von Vorstellungen, die eigener Beobachtung oder Überlegung widersprechen, als Tatsachen. 
     Hält jemand Vorstellungen (z.B. diejenige der elektrolytischen Unzerlegbarkeit, also den Elementcharakter, des Wassers), welche den Tatsachen zuwiderlaufen, ohne daß sie ihm durch entgegengesetzte Beobachtungen oder Überlegungen zweifelhaft wurden, für solche Tatsachen, so liegt kein ~, sondern ein Irrtum vor. Er kann jedoch zum ~ werden, wenn sein Träger für dessen subjektiven Erhalt Aufwand bringt; dadurch wird der ~ zu einem Produkt der Aufwandsrechtfertigung (»effort justification») sensu Festinger. Es fällt auf, daß dieser Aufwand fast immer nur dann erbracht wird, wenn gesellschaftliche Kräfte dazu drängen bis nötigen; andernfalls wäre das Motiv für ihn schwer verständlich. Ist besagter Aufwand jedoch individuell erst einmal erbracht worden, bleibt der Antrieb zu Aufwandsrechtfertigung auch unabhängig von seiner Auffrischung – und damit der ~ – so lange bestehen, bis der Aufwand zur Fortsetzung des ~ns größer erscheint als die Anerkennung der ihm widersprechenden Tatsachen. Besteht die spezifische gesellschaftliche Nötigung bzw. Bedrängung jedoch fort oder vergrößert sich sogar, bleibt der ~ bestehen, weil der Aufwand zur Selbstbehauptung gegen die fortbestehende Nötigung als größer empfunden wird als der zur Niederhaltung der den ~nsinhalten widersprechenden eigenen Beobachtungen oder Überlegungen; dabei liefert der schon akkumulierte individuelle Aufwand die meist entscheidende Verstärkung.
     Gegenstand der ~ns sind gewöhnlich gesellschaftlich normierte Vorstellungen über Existenz und Wirksamkeit außernatürlicher Substanzen, Phänomene oder Personen, welche den subjektiven Gegenstand der Religion ausmachen (ihr objektiver sind ihre Riten, zu deren Teilnahme ihre Anhänger – passend »Gläubige« genannt – oder als solche angestrebte Personen gelockt oder genötigt werden; ihr persönlicher Vollzug soll den Aufwand aufstocken, dessen »Rechtfertigung« sensu Festinger zu Aufbau und Erhalt des ~ns nötig ist). Sind die entsprechenden Vorstellungen, welche Gegenstand eines ~ns sind, nicht normiert, werden sie als Ergebnis von Neurosen oder schwererer psychischer Störungen betrachtet; sind sie nur schwach normiert, als »Aber~«.
     Die Psychoanalyse erklärt den ~n durch die strukturelle Übereinstimmung drastischer und durchschnittlich eintretender Kindheitserlebnisse (unerfüllbarer und zugleich Bedrohung provozierender Wünsche, die sog. Ödipuswünsche), welche aufgrund ihrer leidvollen Frustration und zugleich Bedrohlichkeit der Erinnerung entzogen sind, und den sie offensichtlich in entstellter Form wiederholenden Phantasien, welche den größten Teil der religiösen Vorstellungsinhalte ausmachen. Untersucht man diese Phantasien (Mythologie, Inhalte der ~nsbekenntnisse, Ikonographie) genauer, kann kaum ein Zweifel an der Richtigkeit dieser Ableitung aufkommen. Es ist aber zu bedenken, daß für die individuellen Phantasien bis Wahngebilde »psychisch gestörter« Einzelpersonen genau dasselbe gilt; der flächendeckend und recht einheitlich feststellbare religiöse ~ kann daher nur Ergebnis gesellschaftlicher Normierung geeigneter ~nsinhalte sein, wobei die erkennbare Bevorzugung solcher mit ödipaler Andockung vor anderen als Ergebnis der gesellschaftlichen Memselektion zu erklären ist, da aufgrund ihrer größeren Haltbarkeit die Wirksamkeit dieser Inhalte als ~nsgegenstände größer als diejenige durchschnittlicher anderer ist und der ~ an sie entsprechend stabiler ausfällt (zu seinem Erhalt also weniger organisierten Druck oder Suggestion benötigt).
     Sekundär wird auch von einem ~n an nichtreligiöse Inhalte gesprochen (»Fortschritt«, »Weltrevolution«, »das Gute im Menschen« usw.), meistens jedoch mit ironischem oder pejorativem Unterton. Nun können enttäuschte Hoffnungen, für deren Erfüllung erheblicher persönlicher Aufwand erbracht wurde, evtl. auch durch gemeinsame gegenseitige Bestärkung und dadurch ansatzweise Normierung der entsprechenden Inhalte, dem üblichen religiösen ~n analoge Phänomene hervorbringen, da ihr individueller Entstehungsmechanismus strukturell identisch war. Es ist aber stets zu prüfen, ob die dadurch in ~nsinhalte umgeformten Hoffnungen jedesmal so irrational sind oder waren, wie das die gesellschaftlich vielfach geförderte Sekundärverwendung des Wortes »~« nahelegt.
     Auch um den ~n an Aussagen machtgestützter Medien (Zeitungs-Unisono und Fernsehen) muß man sich, da sie eigener Beobachtung und Überlegung widersprechen können, oft bemühen; trotz Strukturgleichheit der subjektiven Prozesse bei dieser Bemühung hat sich für den entsprechenden Erfolg das Wort »~« noch nicht eingebürgert.  


 
 
 

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