Evolution: »Entwicklung«, von lat. evolvere, »entwickeln«. Bezeichnet i.e.S. die historische Entwicklung aller Lebewesen, welche etwa drei Milliarden Jahre in Anspruch nahm (von welchen nur das letzte Sechstel fossil einigermaßen brauchbar dokumentiert ist; die ersten fünf Sechstel konnten aufgrund der geringen Größe der Organismen sowie vor allem des Fehlens von Hartteilen kaum aussagekräftige Fossilien hinterlassen; in ihnen spielte sich vor allem die äußerst komplizierte ~ des zellulären Chemismus bzw. die Steigerung seiner Leistungsfähigkeit ab, was – neben exogenen Faktoren wie dem Fehlen von freiem Sauerstoff – ihre lange Dauer erklärt).
     Die Tatsache der ~ wurde auch schon vor Darwin von anerkannten Biologen (Erasmus Darwin, Buffon, Lamarck) vermutet oder sogar behauptet; aber erst Charles Darwin fand ihre richtige Erklärung, nämlich die statistisch funktionierende Selektion der Individuen (als Trägern der Erbanlagen, welche inzwischen als Gene präzisiert werden konnten) durch die Bedingungen der Natur, also ihrer subjektlosen Umwelt im weitesten Sinne. Ebenso erreicht ein Züchter – also ein Subjekt – durch absichtliche Selektion sein Ziel (inzwischen kann er den Weg allerdings grundsätzlich durch direkte Genmanipulation abkürzen, während die Selektion, sei es durch natürliche Bedingungen oder absichtliche Zuchtwahl, nur durch indirekte Genmanipulation wirksam wird).
     Da alle Geschwister, welche keine Klone sind, unterschiedlich sind, sind auch ihre Überlebens- und daher Fortpflanzungswahrscheinlichkeiten unterschiedlich. (Sie können auch Eigenschaften aufweisen, die unmittelbar ihre Fortpflanzungseigenschaften beeinflussen, aber auch diese können nur wirksam werden, wenn das Überleben mindestens bis zum fortpflanzungsfähigen Alter geführt hat.) Soweit die Unterschiede der Individuen auf Erbanlagen zurückzuführen sind, besteht somit eine unterschiedliche Wahrscheinlichkeit von deren Weitergabe. Alle diejenigen Erbanlagen, welche durch ihr Verhältnis zu ihren verfügbaren Alternativen die Fortpflanzungswahrscheinlichkeit ihrer Träger nicht beeinflussen, werden daher nach Zufallsprinzipien weitergegeben und können dadurch prinzipiell beliebig lange bestehenbleiben; diejenigen aber, welche die Fortpflanzungswahrscheinlichkeit ihrer Träger erhöhen, werden nach einer Weile alle anderen für die gleiche Eigenschaft wirksamen ersetzt haben. Dies gilt auch für neue Erbanlagen, welche – aufgrund ihrer chemischen Natur, wie wir inzwischen wissen – immer wieder spontan entstehen, meist durch unspezifische äußere Anlässe (z.B. Temperaturschwankungen, Radioaktivität, Weltraumstrahlung), die sog. Mutationen. Dadurch erhalten die Nachkommen einer Fortpflanzungsgemeinschaft im Laufe der Zeit immer neue Eigenschaften, teils solche, welche ihre Ausnutzung der gegebenen Ressourcen verbessern, teils solche, welche diese Ausnutzung – deren Voraussetzung immer das Überleben an sich darstellt – gegen Veränderungen dieser Umwelt (z.B. Klima, Einwanderer, Ausnutzungsverbesserungen anderer Arten etwa im Jäger-Beute-Verhältnis oder der Nahrungskonkurrenz) stabilisieren, teils auch solche, welche unmittelbar den Fortpflanzungserfolg steigern (etwa auffälligere sexuelle Auslöser oder Verringerung der Nachkommenzahl mit dem Ergebnis einer mehr als ausgleichenden Erhöhung der durchschnittlichen Überlebensrate unter denselben). Darüber hinaus können geographische und/oder ökologische Veränderungen die Fortpflanzungsgemeinschaft spalten, wodurch sowohl durch den Zufall der Genverteilung bei der Spaltung wie auch durch die Unterschiede der jeweiligen Umwelt neue Arten entstehen. Die Evolution hätte jedoch auch ohne diesen Vorgang stattgefunden, wenngleich durch fehlende Vielfalt der Ausgangspunkte wie auch durch erheblich größere Stabilität der Umwelt (zu der ja auch die anderen in ihr lebenden Arten gehören) um viele Zehnerpotenzen langsamer!
     Die Auffälligkeit am Vorgang der ~ ist nicht so sehr die Entstehung neuer Arten als vielmehr neuer Eigenschaften der Lebewesen, insbesondere höherer Komplexität. (Ausnahmslos an dieser Stelle setzen die ideologisch bedingten Widerstände gegen die Anerkennung und das Verständnis der ~ ein.) Nicht jede neue Eigenschaft, die die Fortpflanzungswahrscheinlichkeit ihrer Träger erhöht, ist mit einem Komplexitätszuwachs verbunden, noch würde gar jeder Komplexitätszuwachs diese Wirkung haben; wegen des für ihn nötigen höheren Aufwands wäre sogar fast immer das Gegenteil der Fall (das erklärt z.B. die extreme Seltenheit des komplexesten biologischen Phänomens, der mit persönlichem Bewußtsein verknüpften Intelligenz, in der Gesamtheit aller Arten). Jedoch sind einige der neu entstandenen Eigenschaften der Lebewesen, welche deren Fortpflanzungswahrscheinlichkeit erhöhen, mit einem Komplexitätszuwachs verbunden, was zur Folge hat, daß im Laufe der ~ dieser Komplexitätszuwachs – ausschließlich aufgrund seines jeweiligen artspezifischen »Adaptivitätszuwaches«, d.h. eben der verbesserten Ressourcennutzung bzw. Erhöhung der Fortpflanzungswahrscheinlichkeit – immer weitergegangen ist. Mit unserer eigenen Art hat er höchstwahrscheinlich seine bisher größte Höhe erreicht; in ihr selbst kann er nicht fortschreiten – er kann es zweifellos in den Ergebnissen menschlicher Tätigkeit, aber dort hat die natürliche Selektion keinen Zugriff, vielmehr bestimmen Arbeitsteilung, bewußte Planung und andere bewußte Eingriffe das Resultat –, weil unsere Art spätestens mit der Entwicklung des Ackerbaus den die ~ bewirkenden Mechanismus, nämlich die natürliche Selektion, ausgeschaltet und die ~ damit verlassen hat. Über ein entsprechendes ~sergebnis anderer Tierarten nach einem der Sauriergruppe ähnlichem Aussterben der Menschheit sind nur Spekulationen möglich; aufgrund der kosmischen Gegebenheiten stünden ihr auf jeden Fall nur noch einige hundert Millionen Jahre zur Verfügung.
     Die Betrachtung der ~ als bloße Höherentwicklung von geringer zu immer höherer Komplexität ist also falsch, da nur einige ~slinien mit diesem Phänomen verknüpft sind, und diese in sehr unterschiedlicher Quantität; richtig ist aber, daß diese Höherentwicklung ausschließlich durch die ~ ermöglicht wurde und nur in ihrem Rahmen stattfinden kann.

Literatur: Remane/Storch/Welsch, ~; R. Dawkins, Der blinde Uhrmacher.


 
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