Gebet: Selbstgespräch, in welchem der Gläubige einer Religion die Illusion hat (oder dies einem Publikum vortäuscht), im Dialog mit einem Gott (oder einem wesensähnlichen Subjekt, z.B. einem Heiligen) zu stehen bzw. diesen als Zuhörer zu haben. Gebete können alleine, kollektiv oder vor einem Publikum verrichtet werden; in letzterem Fall wird der Gebetssprecher gewöhnlich als Repräsentant seines Publikums betrachtet. ~e können sowohl ohne vorgeschriebenen Wortlaut sein (»freies ~«) wie auch einen solchen aufweisen; in diesem Falle kann die Dialogillusion verblassen bis völlig verschwinden und der Produktion des ~swortlautes eine Eigenwirkung zugeschrieben werden – es nähert sich dann dem Zauberspruch an, welcher nach Ansicht vieler Ethnologen, insbesondere James Frazers, älter ist als das ~ und dessen Vorform bildet. Darauf weist auch der Umstand hin, daß von dominierenden Religionen durchgesetzte, ursprünglich anders motivierte ~e (z.B. das Vaterunser) oft als Zaubersprüche verwendet wurden (siehe z.B. Bächthold-Stäubli s.v.). Ferner dienten ~e mit festgelegtem Wortlaut z.B. laut Zeugnis vieler Rezeptbücher im christlichen wie im islamischen Mittelalter und noch lange danach oft der Zeitmessung; ein Beispiel dafür bietet der Paternoster. Im lamaistischen Buddhismus wird der Begriff »Gebet« erweitert und bezeichnet auch standardisierte religiöse Vorstellungsübungen hauptsächlich statisch-visueller Art; er überlappt sich dann, wie auch gelegentlich im Christentum, mit dem Begriff der Meditation.

 

 
Aus der Fülle der Literatur sei als grundlegend herausgegriffen: Friedrich Schwenn, Gebet und Opfer, Heidelberg 1927

 
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